Funktion
Die Körperlänge in Abhängigkeit vom Alter
Wenn ein Kind älter wird, dann ändert sich seine Körpergröße - mal mehr,
mal weniger. Mein ältester Sohn zum Beispiel war 54cm lang als er geboren
wurde, nach einem Jahr war er bereits 76cm groß, mit 16 Jahren hatte er eine
Körperlänge von 176cm, und heute (mit mehr als 40 Jahren) ist er 183cm groß
und wächst natürlich gar nicht mehr.
Die Abhängigkeit der Körperlänge vom Alter lässt sich mit einem Schaubild
darstellen:
Zu jedem Lebensalter gehört genau eine bestimmte Körperlänge. In mathematischer Sprache heißt dies: Die Körperlänge lässt sich darstellen als Funktion vom Lebensalter. Die umgekehrte Aussage („Zu jeder Körperlänge gehört genau ein bestimmtes Lebensalter“) ist falsch! Zum Körperlängenwert 183cm lassen sich beliebig viele Lebensalterwerte finden (18, 18½, 19, ... und unendlich viele Zwischenwerte); zum Körperlängenwert 20cm gehört gar kein Lebensalterwert.
Der Kreisumfang in Abhängigkeit vom Kreisradius
Der Umfang eines Kreises (U) lässt sich darstellen als Funktion vom Radius r. Kurz geschrieben lautet diese Aussage so:
U = f(r)
Das Verhältnis des Kreisumfangs zum Kreisradius ist konstant. Das bedeutet: Wenn der Radius eines Kreises doppelt so groß ist wie der Radius eines anderen Kreises, dann ist der Umfang des ersten Kreises genau doppelt so groß wie der Umfang des kleineren Kreises. Allgemeiner: Wird der Radius eines Kreises ver-n-facht, dann wird der Umfang dieses Kreises auch n-mal so groß. Man sagt in diesem Fall: Der Kreisumfang U ist proportional zum Kreisradius r (→ Beweis).
U = 2·π
·r
Die Kreiszahl π
ist ungefähr gleich 3,14. Das heißt, der Umfang eines Kreises ist stets
ungefähr 6,3mal so groß wie sein Radius.
Der Anhalteweg in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit
Viele wissen es gar nicht, und die, die es wissen, kümmern sich nicht immer darum. Dabei geht es hier oft um Leben oder Tod von Menschen im Straßenverkehr: Die Abhängigkeit des Anhalteweges (s in Metern) von der Fahrgeschwindigkeit (v in km/h). Diese Abhängigkeit wird auf Grund physikalischer Gesetze durch eine quadratische Funktion beschrieben. Die Funktionsgleichung dieser Funktion lautet folgendermaßen:
s = f(v) = k·v2 + tR·v
Hierbei ist tR die Reaktionszeit der Autofahrerin oder des Autofahrers. tR kann sehr unterschiedlich sein und unter Umständen einige Sekunden betragen! Der Faktor k hängt von der Bremsverzögerung des Autos (a in m/s2) ab:
k = 12a
Auch a ist wie tR keine Konstante, sondern hängt ab von der Beschaffenheit der Reifen, dem momentanen Zustand der Bremsen und den Eigenschaften der Straße.
Das folgende Diagramm zeigt Schaubilder der Funktion f für verschiedene Werte von tR bzw. von a:
Die törichte Regel „Sicherheitsabstand = halber Tachostand in Metern“ gilt selbst unter günstigsten Bedingungen (Reaktionszeit 0,7 Sekunden, Bremsverzögerung 8m/s2) allenfalls bei Geschwindigkeiten unter 60 km/h.
Der Zerfallsprozess eines radioaktiven Präparates
Am 26. April 1986 wurden durch die Explosion im vierten Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl große Mengen radioaktiven Materials freigesetzt und über weite Teile Europas verteilt. Ein radioaktiver Stoff, dem unter anderem in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zukommt, ist Cäsium-137.
Cäsium-137 besitzt eine Halbwertszeit von etwa 30,2 Jahren. Das heißt, dass nach dieser Zeit die Hälfte einer bestimmten Menge Cäsium zerfallen ist; nach abermals 30,2 Jahren gibt es noch ein Viertel der ursprünglich vorhandenen und radioaktiven Cäsiummenge; nach weiteren 30,2 Jahren noch ein Achtel u.s.w.
So ein radioaktiver Zerfallsprozess lässt sich mit Hilfe einer Exponentialfunktion beschreiben. Wenn man zu Beginn beispielsweise 100g Cäsium-137 zur Verfügung hat, dann hat man zur Zeit t noch
100g · 0,5t/30,2
Cäsium-137. Hierbei wird t in Jahren gemessen. Das zugehörige Schaubild sieht danach so aus:
Allgemein gilt:
M = f(t) = M0· 0,5t/T
Hierbei ist M0 die Anfangsmenge und T die Halbwertszeit.
Die Bewegung eines Punktes auf einer Kurve
Wenn sich auf einem mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um den Koordinatenursprung rotierenden Radialstrahl ein Punkt P befindet, dessen Abstand zum Koordinatenursprung sich gleichzeitig gleichförmig vergrößert, dann durchläuft dieser Punkt eine sogenannte Archimedische Spirale. Die formale Beschreibung einer solchen Bewegung und damit auch gleichzeitig die der Bewegungskurve ist recht einfach, wenn man hierfür einen Parameter benutzt. Im hier dargestellten Beispiel dient die Zeit t als Parameter. Der Punkt P befindet sich zur Zeit t = 0 in seiner Startposition, also im Koordinatenursprung.
Gibt man die jeweilige Position des Punktes P mit Hilfe von Polarkoordinaten (r,φ) an, dann lauten die Bewegungsgleichungen
φ = a·t
r = b·t
a und b sind Konstanten, die angeben, wie schnell der Radialstrahl rotiert bzw. wie schnell sich der Punkt P vom Koordinatenursprung entfernt.
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Entwicklung des Funktionsbegriffs
Leonhard Euler (1707−1783) verstand in seinem
1748 erschienenen Werk „INTRODUCTIO IN ANALTSIN INFINITORUM“ unter einer
Funktion einer veränderlichen Größe einen analytischen Ausdruck, der
irgendwie aus der veränderlichen Göße und aus Zahlen oder konstanten Größen
zusammengesetzt ist. Wenn man dieses in die heutige mathematische Sprache
übersetzt, denkt man am ehesten an Funktionsterme wie 2·π
·r
für den Umfang eines Kreises in Abhängigkeit vom Kreisradius r (siehe oben)
oder etwa an ρ·V als Ausdruck für die Masse eines Körpers, der
multiplikativ zusammengesetzt ist aus der konstanten Dichte ρ und dem
Körpervolumen V als veränderlicher Größe. Eine ganz ähnliche Definition
hatte bereits 30 Jahre zuvor Johann Bernoulli (1667−1748) gegeben.
Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet (1805−1859) gab die Vorstellung von zwei unbedingt gesetzmäßig miteinander verknüpften Größen ganz auf und sprach von einer Funktion bereits dann, wenn zu jedem Wert einer veränderlichen Größe x innerhalb eines bestimmten Intervalls genau ein endlicher Wert von y gehört. Bei dieser Auffassung spielt es grundsätzlich keine Rolle, auf welche Art y und x miteinander verknüpft sind. Damit man von einer Funktion y von x sprechen kann, ist es allein entscheidend, dass die Werte von y den Werten von x jeweils eindeutig zugeordnet sind. Die Idee zu dieser radikalen Änderung des Funktionsbegriffs stammt von Jean Baptiste Joseph Fourier (1768−1830) und hatte wesentlich damit zu tun, dass es zum Beispiel in der Physik reale Abhängigkeiten gibt, die sich nicht mit Hilfe eines Funktionsterms beschreiben lassen (es gibt sogar Funktionen mit realem Bezug, die man überhaupt nicht explizit mit Hilfe von Termen darstellen kann).
An der Dirichlet’schen Auffassung des Funktionsbegriffs hat sich von der Idee her nichts geändert; heute werden die Begriffe „Abbildung“ und „Funktion“ üblicherweise wie folgt definiert:
Seien X und Y irgendwelche Mengen und
R ⊆
{ (x;y): x ∈∈ X und y ∈∈ Y }
eine Relation zwischen X und Y mit den folgenden Eigenschaften:
(1) Zu jedem x ∈∈ X gibt es ein y ∈∈ Y,
so dass (x;y) ∈∈ R gilt (Linksvollständigkeit
von R).
(2) Aus x = x* folgt y = y* für alle (x;y), (x*,y*) ∈∈ R (Rechtseindeutigkeit von R).
Dann nennt man das Tripel f = (X, Y, R) eine Abbildung (oder Funktion) von X nach Y und schreibt dafür
f: X → Y
X heißt Definitionsmenge von f, Y Zielmenge von f. Das für jedes x ∈∈ X eindeutig bestimmte y ∈∈ Y wird mit f(x) bezeichnet. f(x) heißt Bild von x. Imf = { f(x): x ∈∈ X } heißt Bildmenge (oder Bildbereich) von f. Statt Imf ist auch die Schreibweise f(X) üblich.
Wenn jedes f(x) ∈∈ Imf genau ein Urbild x ∈∈ X hat, dann heißt die Abbildung f injektiv (oder linkseindeutig oder eineindeutig). Das bedeutet: Eine Abbildung f: X → Y ist genau dann injektiv, wenn für x1, x2 ∈∈ X gilt: x1 ǂ x2 ⇒ f(x1) ǂ f(x2).
Eine Abbildung f mit Imf = Y heißt surjektiv (oder rechtsvollständig oder rechtstotal). Man spricht dann von einer Abbildung f von X auf Y.
Ist eine Abbildung injektiv und surjektiv, so nennt man diese bijektiv.
Ist die Zielmenge einer Funktion f eine Teilmenge der Menge der reellen Zahlen ℝ oder der komplexen Zahlen ℂ, so nennt man f eine reelle Funktion bzw. eine komplexe Funktion. Die Bildmenge Imf einer solchen Funktion wird Wertebereich genannt. f(x) mit x ∈∈ X heißt dann Funktionswert von f an der Stelle x. („f(x)“ wird gesprochen: „f von x“.)
Felix Hausdorff (1868−1942) hat 1914 im Rahmen seiner Grundzüge der Mengenlehre eine Funktion als Menge geordneter Paare definiert - auf Grundlage einer mengentheoretischen Definition des Begriffs „geordnetes Paar“ (vgl. Relationen und Funktionen im Kapitel Menge).
Beispiele für Relationen und Funktionen
Beispiel 1:
Die schwarzen Punkte im
obenstehenden Diagramm veranschaulichen
einige Elemente der Produktmenge ℕxℕ.
Die roten Punkte gehören zur Relation R = {(x;y): y = x + 1} ⊂
ℕxℕ. Diese Relation induziert eine Abbildung f: ℕ → ℕ
mit der Zuordnungsvorschrift
x ↦ x + 1.
Diese Abbildung ist injektiv, denn zu jedem Bild f(x) gehört genau ein Urbild x. Die Abbildung ist aber nicht surjektiv, denn 0 ∈∈ ℕ besitzt kein Urbild.
Beispiel 2:
Die trigonometrische Funktion sin ist eine Funktion von
ℝ nach ℝ.
Wenn man die Zielmenge ℝ dieser Funktion
einschränkt auf das abgeschlossene Intervall [−1; 1], das aus allen Zahlen
zwischen −1 und 1 besteht (einschließlich −1 und 1 selbst), dann erhält man
eine rechtsvollständige Funktion von
ℝ auf [−1; 1]. Wenn man darüberhinaus
auch noch den Definitionsbereich einschränkt auf [−0,5π; 0,5π], dann bekommt
man sogar eine bijektive und damit umkehrbare Funktion.
Beispiel 3:
Die Wahrscheinlichkeitsfunktion
P ist eine reellwertige Funktion von
℘(S) nach [0; 1], wobei S die Ergebnismenge
eines Zufallsexperiments darstellt. Abkürzend geschrieben:
P: ℘
(S)
→
[0; 1].
Beispiel 4:
Die konstante Funktion fc: ℝ → {c}
mit c ∈∈ ℝ
ist eine sehr langweilige Funktion. Sie ordnet jeder reellen
Zahl x ∈∈ ℝ
den Wert c zu. Mit anderen Worten: fc(x) = c
für alle x ∈∈ ℝ.
Die Funktion fc: ℝ → {c}
ist surjektiv, aber natürlich nicht injektiv.
Beispiel 5:
Die babylonische Keilschrifttafel Plimpton 322
(irgendwann zwischen 1900 bis 1600 v.Chr. in Mesopotamien angefertigt, 1920
von George Arthur Plimpton (1855−1936) gefunden, vom Mathematikhistoriker
Otto Neugebauer (1899−1990) und dem Archäologen Abraham Sachs 1945
dechiffriert und heute in der Universität von Columbia aufbewahrt) gilt als
die älteste erhaltene Wertetabelle überhaupt.
Plimpton 322, unter Benutzung eines Fotos von Kathy Choi |
Aufgrund der Arbeiten von Neugebauer und Sachs wissen wir, dass die Keilzeichen auf dieser Tontafel Sexagesimalzahlen darstellen. Das Sexagesimalsystem verwendet die Zahl 60 als Basis. Die babylonischen Sexagesimalzeichen sehen wie folgt aus (darunterstehend die Übersetzung dieser Zeichen in Dezimalzahlen):
Die zwölfte Zeile der Plimptontabelle zum Beispiel sieht im Wesentlichen so aus:
Diesen Keilzeichenketten können Sexagesimalziffernkombinationen zugeordnet werden:
Interpretiert man nun diese Ziffernkombinationen wie folgt
c = 48·601 + 49 = 2929
a = 27·601 + 59 = 1679
1 + 2960 + 21602 + 54603 + 0604 + 2605 + 15606 ≈ 1,489417,
dann findet man überraschende Zusammenhänge: 2929 und 1679 bilden zusammen mit 2400 ein pythagoräisches Zahlentripel, und es gilt
sec2(α) = c224002 = 85790415760000 ≈ 1,489417.
Für die anderen Zeilen der Keilschrifttafel lassen sich analoge Aussagen aufstellen (allerdings nur dann, wenn man zuvor fünf anscheinend fehlerhafte Einträge auf der Tafel korrigiert hat). Mit anderen Worten: Die erste Spalte der Plimptontafel beinhaltet ausgewählte Funktionswerte der Funktion sec2; hier aufgefasst als zweistellige Funktion von a und c, wobei c die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks darstellt und a die Gegenkathete des Winkels α bedeutet.
(a, c) ↦ sec2(a, c)
sec heißt Sekansfunktion und es gilt sec(α) = 1cos(α) und somit sec2(a, c) = c2c2 − a2. Mit b2 = c2 − a2 ergibt sich sec2(a, c) = 1 + a2b2.
Dass die Werte für a und c auf der Keilschrifttafel rechts und die aus diesen Werten berechneten sec2(a, c)-Werten links stehen, ist verständlich, wenn man weiß, dass die Babylonier von rechts nach links geschrieben haben.
Interessant ist es zu untersuchen, ob die sec2-Werte auf der Keilschrifttafel irgendwelche besonderen Eigenschaften haben oder ob es sich um zufällig ausgewählte Werte handelt. Besser gefragt: Haben die Urbilder (a, c) der auf der Keilschrifttafel tabellierten sec2-Werte etwas Besonderes an sich?
Jedes dieser Urbilder (a, c) definiert ein pythagoräisches Zahlentripel (a, b, c), das heißt: a, b und c sind natürliche und von 0 verschiedene Zahlen und es gilt c2 = a2 + b2.
Seien a, b, c ∈∈
ℕ*
mit c2 = a2 + b2.
Dann heißt (a, b, c) genau dann primitives pythagoräisches
Zahlentripel, wenn a, b und c keine gemeinsamen Teiler besitzen, das
heißt, wenn a, b und c teilerfremd sind.
Zum Beispiel ist (3, 4, 5) ein primitives pythagoräisches Zahlentripel; (16, 30, 34) ist ein pythagoräisches Zahlentripel, welches nicht primitiv ist.
Für jedes primitive pythagoräische Zahlentripel (a, b, c) mit a < b gibt es zwei eindeutig bestimmte Zahlen p und q, so dass Folgendes gilt:
a = p2 − q2
b = 2·p·q
c = p2 + q2
p und q sind teilerfremde Zahlen.
Genau eine dieser Zahlen p und q ist gerade, die jeweils
andere ist ungerade.
Beweis:
(I) Zunächst ist klar, dass bei p, q ∈∈ ℕ*
mit p > q, aber ansonsten beliebig gewählten natürlichen
Zahlen die durch die oben stehenden Gleichungen definierten Zahlen a, b,
c
immer ein pythagoräisches Zahlentripel bilden, denn es gilt:
(p2 − q2)2 + (2pq)2
= p4 − 2p2q2 + q4 + 4p2q2
= p4 + 2p2q2 + q4 = (p2 + q2)2.
(II) Sei nun (a, b, c) mit a < b < c ein primitives pythagoräisches Zahlentripel. Dann sind insbesondere a und b teilerfremde Zahlen. Das bedeutet: a und b sind nicht beide zugleich gerade.
(III) Angenommen, beide Zahlen a und b sind ungerade.
Dann gibt es natürliche Zahlen n und m mit
a = 2n + 1 und
b = 2m + 1. Wegen c2 = a2 + b2 folgt, dass
c2
= (2n + 1)2 + (2m + 1)2
= 4(n2 + m2 + n + m) + 2.
Mit anderen Worten: Teilt man c2 durch 4, dann bleibt der
Rest 2 übrig.
4 ist demzufolge kein Teiler von c2, also muss c
ungerade sein, denn das Quadrat einer geraden Zahl ist immer durch 4
teilbar. Wenn aber c ungerade ist, dann existiert eine natürliche Zahl r
mit c = 2r + 1 und es folgt
c2 = (2r + 1)2 = 4(r2 + r) + 1.
Mit anderen Worten: Teilt man c2 durch 4, dann bleibt der
Rest 1 übrig. Widerspruch!
Alles in allem haben wir bis jetzt Folgendes gezeigt: Wenn (a, b, c) ein primitives pythagoräisches Zahlentripel ist, dann muss eine der Zahlen a und b gerade, die andere ungerade sein. Da a, b und c nach Voraussetzung teilerfremd sind, muss c ungerade sein.
(IV) Wegen a < b folgt:
b2
= c2 − a2
= (c + a)·(c − a)
= 4·(c + a2)·(c − a2).
Setzt man u = c + a2 und v = c − a2, dann gilt b2 = 4·u·v.
Man sieht spätestens jetzt, dass a die ungerade Zahl und b die
gerade Zahl sein muss.
(c + a) und (c − a) sind also gerade, folglich sind u und v natürliche
Zahlen.
Wegen b2 = 4·u·v und der Tatsache, dass b eine natürliche
Zahl ist, müssen u und v Quadratzahlen sein.
Es gibt also natürliche Zahlen p und q mit u = p·p und v = q·q, wobei p > q wegen u > v.
Hieraus folgt b = 2pq.
Weiterhin hat man 2p2 = c + a und 2q2 = c − a.
Die Addition dieser beiden Gleichungen liefert (●) c = p2 + q2.
Die Subtraktion beider Gleichungen ergibt (●●) a = p2 − q2.
(V) Sowohl a als auch c sind ungerade.
Dies ist nach diesen Formeln
nur dann möglich, wenn genau eine der Zahlen p und q gerade und die
andere ungerade ist.
(VI) Angenommen, p und q hätten einen
gemeinsamen Teiler t, dann könnte man schreiben:
p = nt und q = mt mit irgendwelchen natürlichen Zahlen n und m.
Einsetzen in (●) und in (●●) ergibt
c = (nt)2 + (mt)2 = t2(n2 +
m2) und a = (nt)2 − (mt)2 = t2(n2 − m2)
a und c sind aber nach Voraussetzung teilerfremd. Widerspruch!
Es liegt nahe, jetzt die folgende Relation Rpq als Teilmenge von ℕ*xℕ* zu definieren: (p, q) soll genau dann ein Element von Rpq sein, wenn p ungerade und q gerade oder wenn umgekehrt p gerade und q ungerade und wenn in jedem dieser Fälle p größer als q ist und wenn p und q teilerfremd sind.
Beispielsweise ist das zu (2, 1) ∈∈ Rpq gehörige primitive pythagoräische Zahlentripel (3, 4, 5); zu (7, 4) ∈∈ Rpq gehört das primitive pythagoräische Zahlentripel (33, 56, 65).
Definiert man die Abbildung
ppz: Rpq → ℕ*x ℕ*x ℕ*
für alle (p, q) ∈∈ Rpq durch
ppz((p, q)) =def (p2 − q2, 2·p·q, p2 + q2),
dann ist ppz(Rpq) gleich der Menge aller primitiven pythagoräischen Zahlentripel.
Der Algorithmus zur Erzeugung von Elementen der Menge ppz(Rpq) ist nicht schwierig:
Setze p := 1; |
Im Zusammenhang mit der Plimptontabelle sind nun folgende Definitionen sinnvoll.
Eine natürliche und von 0 verschiedene Zahl heißt genau dann regulär zur Basis b, wenn jeder Primfaktor dieser Zahl gleich einem der Primteiler der zugehörigen Basiszahl b ist.
Rpqb =def {(p, q) ∈∈ Rpq: p und q sind regulär zur Basis b}
Die Elemente von Rpqb sollen b-regulär heißen.
2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 12, ... sind reguläre Sexagesimalzahlen, denn
2, 3 und 5 sind die Primteiler von 60.
(320, 27) zum Beispiel ist ein 60-reguläres Tupel, denn 320 ist größer als
27, 320 und 27 sind teilerfremd, 320 ist gerade und 27 ist ungerade, und die
Primfaktorzerlegungen beider Zahlen lauten 320 = 26·5 bzw. 27 = 33,
also gibt es außer den Primteilern von 60 keine anderen Primfaktoren. Kurz
geschrieben: (320, 27) ∈∈ Rpq60.
Ein von einem 60-regulären Tupel (p, q) erzeugter sec2(a, c)-Wert hat immer eine endliche Sexagesimalbruchentwicklung.
Beweis:
Sei (p, q) ∈∈ Rpq60.
Dann ist sowohl p als auch q entweder gleich 1 oder gleich einer Zahl,
die durch 2 oder durch 3 oder durch 5 teilbar ist.
Wegen sec(α) = cb = p2 + q22pq = 12·(pq + qp) folgt hieraus die Behauptung.
Das folgende, mit JavaScript realisierte Programm berechnet für jedes (p, q) ∈∈ Rpq60 mit p ≤ pmax die Werte für a, b, c, sec2(a, c) und den zugehörigen Winkel a. Hierbei werden alle Werte in dezimaler Schreibweise und gerundet angegeben. Diejenigen Zeilen, zu denen Winkel gehören, die größer als 31,5° und kleiner als 45° sind, werden mit einem Sternchen gekennzeichnet. Genau diese Sternchen-Zeilen entsprechen den Zeilen der Plimptontabelle! Dies stimmt nicht ganz, denn erstens hat der Schreiber der Plimptontafel manche der Sternchen-Zeilen entweder nicht gekannt, vergessen oder nicht berücksichtigt und zweitens entspricht die fünfzehnte (und gleichzeitig letzte) Zeile der Plimptontabelle nicht den oben diskutierten Kriterien der Sternchen-Zeilen, weil das dort dargestellte pythagoräische Zahlentripel nicht primitiv ist.
Maximal kann man hier für pmax den Wert 200 eintragen (anschließend auf "Berechnen" klicken):
α | c2/b2 | a | b | c | p | q |
In der folgenden Tabelle sind alle Sternchen-Zeilen mit p
≤ 500 zusammengestellt und nach c2/b2
in absteigender Reihenfolge sortiert. Diejenigen Tabellenzeilen, die die ersten
vierzehn Zeilen der Plimptontafel beschreiben, sind entsprechend duchnummeriert
und farbig gekennzeichnet.
α | c2/b2 | a | b | c | p | q | |
44.8° | 1.9834 | 119 | 120 | 169 | 12 | 5 | 1 |
44.3° | 1.9492 | 3367 | 3456 | 4825 | 64 | 27 | 2 |
43.8° | 1.9188 | 4601 | 4800 | 6649 | 75 | 32 | 3 |
43.3° | 1.8862 | 12709 | 13500 | 18541 | 125 | 54 | 4 |
43.1° | 1.8742 | 67319 | 72000 | 98569 | 288 | 125 | * |
42.1° | 1.8150 | 65 | 72 | 97 | 9 | 4 | 5 |
41.5° | 1.7852 | 319 | 360 | 481 | 20 | 9 | 6 |
40.3° | 1.7200 | 2291 | 2700 | 3541 | 54 | 25 | 7 |
39.8° | 1.6927 | 799 | 960 | 1249 | 32 | 15 | 8 |
39.3° | 1.6686 | 14129 | 17280 | 22321 | 135 | 64 | * |
38.7° | 1.6427 | 481 | 600 | 769 | 25 | 12 | 9 |
38.2° | 1.6175 | 190951 | 243000 | 309049 | 500 | 243 | * |
37.9° | 1.6082 | 49911 | 64000 | 81161 | 256 | 125 | * |
37.4° | 1.5861 | 4961 | 6480 | 8161 | 81 | 40 | 10 |
36.9° | 1.5625 | 3 | 4 | 5 | 2 | 1 | 11 |
36.3° | 1.5395 | 19039 | 25920 | 32161 | 160 | 81 | * |
35.8° | 1.5192 | 11529 | 16000 | 19721 | 125 | 64 | * |
35.0° | 1.4894 | 1679 | 2400 | 2929 | 48 | 25 | 12 |
34.4° | 1.4704 | 42665 | 62208 | 75433 | 243 | 128 | * |
34.4° | 1.4685 | 47311 | 69120 | 83761 | 256 | 135 | * |
33.9° | 1.4500 | 161 | 240 | 289 | 15 | 8 | 13 |
33.3° | 1.4302 | 1771 | 2700 | 3229 | 50 | 27 | 14 |
Neugebauer hat entdeckt, dass bei der originalen Plimptontafel die c-Spalte mit dem Zeichen für „diagonal“ und die a-Spalte mit dem Zeichen für „breit“ überschrieben ist. Dieses Faktum könnte nach der Analyse der Plimptontabelle zur Vermutung führen, dass den babylonischen Mathematikern der sogenannte Satz des Pythagoras bekannt war und dass sie diesen für die Beschreibung von Winkeln benutzt haben. Hierbei muss ihnen die Primfaktorzerlegung von Zahlen vertraut gewesen sein.
Auf jeden Fall haben sie offensichtlich in tabellarischer Form die funktionale Abhängigkeit zwischen Zahlen darzustellen und für welchen Zweck auch immer anzuwenden gewusst. Die Struktur der Plimptontabelle kann unter Beachtung der oben stehenden Definitionen und unabhängig vom verwendeten Stellenwertsystem zusammenfassend als Verkettung so beschrieben werden:
(p, q)
↦ ppz((p, q))
↦ (a, c)
↦ sec2(a, c)
↦ α
für alle (p, q) ∈∈ Rpq60.
Beispiel 6:
Die Funktion f: [−4; 5] → ℝ3
mit
f(t) = [3·t2; 10·t; 4·t]
ordnet jeder reellen Zahl t zwischen −4 und 5 den Punkt Pt(3t2|10t|4t) zu und beschreibt damit eine räumliche Kurve. Nimmt man diese Kurve als Mittellinie eines Schlauches mit kreisrundem Querschnitt (Radius = 15), dann sieht dieser Schlauch wie folgt aus:
Diese Grafik wurde mit dem Programm Maple erstellt.
Beispiel 7:
Das nachfolgende Schaubild ist eine Darstellung der Relation
R = {(x;y): x3 − y3 = x − y; x ∈ [−2;2]; y ∈∈ [−2;2]}
([−2;2], [−2;2], R) ist keine Funktion, denn es ist nicht jedem x ∈∈ [−2;2] ein und nur ein y-Wert zugeordnet.
Sei D eine Teilmenge von ℝ und f eine injektive Funktion von D nach ℝ. Dann gibt es zu jedem y ∈∈ f(D) ein x ∈∈ D mit f(x) = y und dieses x ist eindeutig bestimmt. Aus diesem Grund lässt sich die folgende Definition formulieren:
Sei D eine Teilmenge von ℝ und f eine injektive Funktion von D nach ℝ. Dann heißt die Funktion von f(D) nach D, welche jedem y ∈∈ f(D) das x ∈∈ D mit f(x) = y zuordnet, die Umkehrfunktion von f (oder die zu f gehörige inverse Funktion). Die Umkehrfunktion von f wird mit f−1 bezeichnet.
Die Umkehrfunktion einer Funktion f ist offenbar injektiv und es gilt (f−1)−1 = f sowie (f−1◦f)(x) = x und (f◦f−1)(y) = y für jedes x ∈∈ D bzw. jedes y ∈∈ f(D). Hierbei bedeuten f−1◦f und f◦f−1 die Verkettung von f mit f−1 bzw. von f−1 mit f.
Die Funktion f von ℝ+ nach ℝ mit f(x) = x2 ist streng monoton wachsend, also injektiv. f(ℝ+) = ℝ+. Ihre Umkehrfunktion f−1 ist für y ∈∈ ℝ+ gegeben durch f−1(y) = +√y. Das Schaubild einer solchen Umkehrfunktion erhält man durch Spiegelung des Schaubildes der Ursprungsfunktion an der Geraden y = x, sofern die Koordinatenachsen identisch skaliert sind:
U1
Sei D = [a, b] und f eine auf D
definierte und dort stetige Funktion.
Dann ist f genau dann injektiv, wenn f streng monoton ist, das heißt, wenn aus
x < y entweder f(x) < f(y)
oder f(x) > f(y)
folgt. Es gilt f(D) = [f(a), f(b)]
und f(]a, b[) = ]f(a), f(b)[.
Beweis:
Wenn f streng monoton ist, so folgt die Injektivität von f sofort. Sei also angenommen, dass
f eine injektive Funktion ist. Sei ferner x ∈∈ D
fest, aber beliebig gewählt.
Fall 1: f(a) < f(b).
Angenommen, f(x) < f(a).
Dann gibt es eine reelle Zahl z mit f(x) < z < f(a) < f(b)
und somit nach dem Zwischenwertsatz
erstens ein x1 ∈∈ [a, x]
mit f(x1) = z und zweitens
ein x2 ∈∈ [x, b]
mit f(x2) = z.
Damit hat man f(x1) = f(x2),
womit x1 = x2 wegen der
Injektivität von f folgt. Andererseits ist wegen f(x) ǂ z
sowohl x ǂ x1 als auch
x ǂ x2, also
muss x1 < x < x2
und damit x1 ǂ x2 gelten: Widerspruch! Auf die gleiche Weise lässt sich zeigen, dass auch
die Annahme f(x) > f(b)
zum Widerspruch führt. Demnach ergibt sich
f(a) ≤ f(x) ≤ f(b).
Falls x ∈∈ (a, b), folgt wegen der Injektivität von f
f(a) < f(x) < f(b).
Seien nun x und y irgendwelche Zahlen in D mit x < y. Dann ist x ǂ y und damit f(x) ǂ f(y). Zusammen mit der Anwendung obiger Argumentation auf das Intervall [a, y] folgt
f(a) ≤ f(x) < f(y),
also wächst f streng monoton.
Fall 2: f(a) > f(b).
Führt man die eben angewendeten Beweisschritte mit −f durch, so
folgt, dass dann f streng monoton fällt.
U2
Sei D ein abgeschlossenes Intervall und f eine auf D
definierte und dort stetige und injektive Funktion. Dann ist f−1
auf f(D) stetig.
Beweis:
Sei y ∈∈ f(D)
und (yn) eine gegen y konvergente Folge mit yn ∈∈ f(D)
für alle n = 0,1,2,... Sei ferner
xn = f−1(yn)
und x = f−1(y).
Es ist zu zeigen, dass dann (xn) gegen x konvergiert, denn hiermit
folgt mit dem Folgenkriterium die Behauptung.
Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß besitzt die Folge (xn) eine konvergente Teilfolge, etwa (xnj)j=0..∞ mit dem Grenzwert x*. Weil f auf D stetig ist, konvergiert auch (f(xnj))j=0..∞ und zwar einerseits gegen f(x*) und andererseits als Teilfolge von (yn) wegen F4 gegen y. Es gilt also f(x*) = y.
Anfangs wurde x = f−1(y) gesetzt, was gleichbedeutend ist mit f(x) = y. Wegen der Injektivität von f folgt x* = x. Die Folge (xn) hat demnach nur einen Häufungspunkt, nämlich x. Mit F5 folgt, dass (xn) gegen x konvergiert, was zu zeigen war.
U3
Sei D ein abgeschlossenes Intervall und f eine auf D
definierte und dort stetige und injektive Funktion. Sei ferner f in x0 ∈∈ D
differenzierbar. Wenn f’(x0) ǂ 0
gilt, so ist f−1
in y0 = f(x0)
differenzierbar und es gilt
(f−1)’(y0) = 1f’(x0).
Beweis:
Wenn f in x0 ∈∈ D
differenzierbar ist, so
gibt es eine auf D definierte und in x0 stetige Funktion Δ mit
f(x) = f(x0) + (x − x0)·Δ(x) für x ∈∈ D.
Nach Voraussetzung gilt Δ(x0) = f’(x0) ǂ 0. Weil f injektiv ist, ist darüberhinaus auch Δ(x) ǂ 0 für alle x ∈∈ D. Somit folgt für x ∈∈ D
x = x0 + f(x) − f(x0)Δ(x).
Setzt man y = f(x) und y0 = f(x0), so hat man für alle y ∈∈ f(D)
f−1(y) = f−1(y0) + (y − y0)·1Δ(f−1(y)).
Die Funktion 1Δ◦f−1 ist wegen D3 in y0 stetig und es gilt Δ◦f−1(y0) = f’(x0). Damit folgt die Behauptung.