Rückkopplung
Man nimmt eine Figur, steckt sie in eine Verkleinerungsmaschine und erhält eine um den Faktor k verkleinerte Figur; man nimmt die um den Faktor k verkleinerte Figur, steckt sie in dieselbe Verkleinerungsmaschine und erhält ....
... durch eine einfache Rückkopplung ein recht einfaches und eher langweiliges Resultat: eine Folge von gleichmäßig kleiner werdenden selbstähnlichen Figuren.
Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, dass ein einfacher Rückkopplungsprozess („was hinten rauskommt, wird vorn wieder reingesteckt“) immer einfache Ergebnisse liefert (siehe unten).
Ob das Ergebnis einer solchen Rückkopplung langweilig, interessant, aufregend oder schön empfunden wird, ist vor allem abhängig von der Art der „Rückkopplungsmaschine“, die für den Rückkopplungsprozess benutzt wird.
Schritt für Schritt der Zahl 1 entgegen
Man nimmt eine Zahl, sagen wir 81, zieht daraus die Quadratwurzel, und erhält dadurch 9 (denn 92 = 81); man nimmt die Zahl 9, zieht daraus die Quadratwurzel, und erhält dadurch 3; man nimmt die Zahl 3, zieht daraus die Quadratwurzel, und erhält dadurch ...
81
Wurzel 81
Wurzel (Wurzel 81)
Wurzel (Wurzel (Wurzel 81))
Wurzel (Wurzel (Wurzel (Wurzel 81)))
....
... eine Zahlenfolge, nämlich:
81,00000
9,00000
3,00000
1,73205
1,31607
....
(mit einer gewissen Genauigkeit hingeschrieben, nämlich mit jeweils fünf Ziffern nach dem Komma.)
Formelmäßig lässt sich das Ganze wie folgt schreiben: Ist xn irgendeine Zahl der Folge, so erhält man die nächste Folgenzahl xn+1, indem man die Quadratwurzel aus xn zieht.
xn+1 = f(xn) mit f(xn) = √xn
n durchläuft hierbei die natürlichen
Zahlen. x0 = 81, x1 = 9, x2 = 3,
u.s.w.
Die Zahlenfolge x0, x1, x2, ...
konvergiert gegen die Zahl 1.
Eines der sehr bekannten Beispiele von Rückkopplungsgleichungen der Form "xn+1 = f(xn)" ist die folgende Gleichung:
xn+1 = k (1 − xn) xn
k ist hierbei eine Konstante, das heißt eine beliebige, aber fest gewählte Zahl. Je nachdem wie die Startbedingungen gewählt werden, ergeben sich völlig verschiedene Resultate:
Beispiel a): k = −2; x0 = 2. Dann erhält man mit dem ersten Iterationsschritt den zweiten Folgenwert x1 = 4. Der zweite Iterationsschritt liefert x2 = 24. x3 = 1104. Die Werte dieser Folge werden mit wachsendem n immer größer: die Folge x0, x1, x2, ... mit k = −2 und x0 = 2 „strebt gegen Unendlich“.
Beispiel b): k = −2; x0 = 0,2. Jetzt ergibt sich eine Zahlenfolge, deren Werte wirr hin und her springen, ohne dass irgendein Zusammenhang erkennbar wäre.
Beispiel c): k = 2,5; x0 = 0,2. Die hierzu gehörende Zahlenfolge ist konvergent. Der Grenzwert der Folge ist etwa gleich 0,6153846 und ist völlig unabhängig vom Startwert x0, sofern x0 positiv und kleiner als 1 ist. Genau das gleiche Verhalten zeigen die entsprechenden Folgen , falls nur die Konstante k größer als 1 und kleiner als 3 gewählt wird! Dieses Folgenverhalten ändert sich sprunghaft bei k = 3: Wenn n nur groß genug geworden ist, springen die Folgenwerte zwischen nur zwei Werten („Oszillationswerte“) hin und her. Das bleibt (zunächst) so, auch wenn der Wert für k größer gewählt wird:
Beispiel d): k = 3,4; x0 = 0,2. Die zwei Werte, zwischen denen die Folgenwerte ab einem gewissen n ständig hin und her springen, lauten 0,4519633 und 0,8421544 (gerundet auf die 7. Nachkommastelle). Vergrößert man k immer weiter, beobachtet man wiederum bei einem ganz bestimmten Wert für k eine plötzliche Änderung: Statt der bisher zwei Oszillationswerte, zwischen denen die Folgenwerte bei genügend großem n hin und her springen, sind es nunmehr vier Werte!
Werden die Oszillationswerte in Abhängigkeit von k in einem Diagramm dargestellt, so ergibt sich alles in allem das folgende Bild (k läuft von 2,5 bis 4).
Betrachten wir die Gleichung
zneu = zalt2 + c.
Hierbei sind zneu, zalt und c komplexe Zahlen: zneu = (Reneu; Imneu) und zalt = (Realt; Imalt), sowie c = (Rec; Imc).
Wenn nun (0; 0) als Startwert der komplexwertigen Mandelbrotfolge z0, z1, z2, z3, z4, .... gewählt wird, verhält sich diese Folge völlig unterschiedlich, je nach Wahl der komplexen Zahl c. Da jede komplexe Zahl als Punkt darstellbar ist, gehört zu jeder Zahl c eine ganz bestimmte Mandelbrotfolge und damit ein charakteristisches Punktemuster. Ein Beispiel:
c = (−0,22; 0,7544)
Remin = −1,2 Remax = 0,4
Immin = −0,3 Immax = 0,9
Das zur Zahl (−0,22; 0,7544) gehörende Punktemuster entwickelt sich, bis es ab dem 12314ten Iterationsschritt gleichsam „explodiert“. Genauer gesagt: Diejenigen Punkte, die nach diesem Iterationsschritt gemäß der gegebenen Gleichung zneu = zalt2 + c fortlaufend berechnet werden, entfernen sich vom Punkt (0; 0) immer mehr: Die zur Zahl c = (−0,22; 0,7544) gehörende Folge divergiert; der zu dieser Zahl gehörende Punkt ist ein Divergenzpunkt.
Mit dem hier bereitgestellten Programm lassen sich Mandelbrotfolgen visualisieren. Darüberhinaus kann man sich Folgen von Mandelbrotfolgen anschauen. Hierzu lässt sich wahlweise der Realteil von c (mit reFilm) oder der Imaginärteil von c (mit imFilm) sukzessive verändern.
Ist der Betrag eines Folgengliedes einer Mandelbrotfolge, deren zugehörige Punkte aktuell ausgegeben werden, größer als 2, weiß man, dass es sich um eine divergierende Folge handelt. In einem solchen Fall wird dann das entsprechende c in der Eingabemaske orange markiert.
Wenn ein mit der Gleichung zneu = zalt2 + c konstruiertes Punktemuster auch nach beliebig vielen Iterationsschritten in einem ganz bestimmten Raumbereich verbleibt, sich sozusagen „stabil“ verhält, dann heißt der zu c gehörende Punkt Konvergenzpunkt. Die Menge aller dieser Konvergenzpunkte ist die berühmte Mandelbrotmenge:
Robert Doerner: Nichtlineare Dynamik